"Auswahlkriterien in Konzessionsverfahren" – Halbzeit bei der Veranstaltungsreihe im EWeRK


Der Strom- und Gasnetzbetrieb wird sich in den kommenden Jahren erheblich verändern. Insbesondere die Energie- und Wärmewende, Dekarbonisierung und Treibhausgasneutralität, E-Mobilität, Digitalisierung und die demografische Entwicklung sind die großen Herausforderungen der Zukunft. Den Gemeinden fällt die Aufgabe zu, diese Entwicklungen in ihren Kriterienkatalogen schon heute rechtssicher abzubilden, weil die Konzessionsverträge in der Regel über 20 Jahre abgeschlossen werden.

Das EWeRK – Institut für Energie- und Wettbewerbsrecht in der kommunalen Wirtschaft e.V an der Humboldt-Universität zu Berlin – nimmt sich dieses Themas zum zweiten Mal an: Nach dem ersten erfolgreichen Dialog im Sommer 2021 veranstaltet das EWeRK einen weiteren fachöffentlichen Online-Dialog zum Thema „Auswahlkriterien in Konzessionsverfahren“. Die LBD ist als eine der Mitinitiatorinnen der Reihe mit dabei: In jeder Veranstaltung trägt Dr. Christof Schorsch, Prokurist der LBD, Erkenntnisse aus der Diskussion um den ZuMa-Katalog 2.0 vor. Mit den Ergebnissen einer interdisziplinären Arbeitsgruppe für „Zukünftige Marktstandards in Strom- und Gaskonzessionsverfahren“ (ZuMa) wurden Vorschläge und Empfehlungen für zukunftssichere Kriterien präsentiert.

In der ersten Veranstaltung zum Auswahlkriterium „Versorgungssicherheit“ trugen RA Uwe Rühling (Rühling Anwälte, Stuttgart) und Jürgen Lehmeier (enercity Netz GmbH) vor. Bei RA Rühling standen v.a. Zertifikate im Mittelpunkt, weil sie eine objektivierte Einschätzung der Betriebspraxis des Netzbetreibers erlaubten – Stichwort „Fremdkontrolle statt Eigenkontrolle“ – und relativ einfach bewertbar seien. Freilich zeigten sich hierbei auch Anwendungsprobleme, wie etwa der konkrete Geltungsbereich des Zertifikats, der sachliche Geltungsbereich mit Netzbezug oder die notwendige Akkreditierung der Zertifizierer. Im Gasnetz sei die Situation durch den laufenden Transformationsprozess noch einmal deutlich komplexer.

Jürgen Lehmeier wies in seinem Beitrag auf den Zielkonflikt zwischen Wirtschaftlichkeit und Versorgungssicherheit hin. Zwar liege die Versorgungssicherheit im NSp-Stromnetz mittlerweile bei 99,997%, und sei auch im MSp-Netz durch Umschaltmöglichkeiten sowie im HSp-/HöSp-Netz weitgehend n-1-sicher. Gleichwohl verfügten Netzbetreiber über eine Reihe von Stellschrauben, um die Versorgungssicherheit weiter zu verbessern. Vieles sei allerdings nur mittel- bis langfristig umzusetzen, um Störungen weiter zu reduzieren. Punkten könnten Netzbetreiber aber insbesondere bei der Schnelligkeit der Störungsbeseitigung. Der Zusammenhang beider Aktivitäten sollte deshalb bei der Bewertung der Leistungsfähigkeit eines Netzbetreibers beachtet werden.

In der zweiten Veranstaltung zu „Preisgünstigkeit und Effizienz“ zeigte sich insbesondere die Problematik der Netzentgelte als des führenden Kriteriums zur Bewertung der Preisgünstigkeit. RA Dr. Mirko Sauer (BDO Legal Rechtsanwaltsgesellschaft mbH) betonte, dass der von Konzessionskommunen durchgeführte Unterbietungswettbewerb einen Verstoß gegen europäisches Recht darstelle. Schließlich liege die Aufgabe der Netzentgeltbildung in der ausschließlichen Kompetenz der Regulierungsbehörde. Außerdem begünstige das Netzentgeltkriterium eine ökonomische Fehlsteuerung, da die Netzentgelthöhe maßgeblich von unternehmerisch unbeeinflussbaren strukturellen Kostenparametern des Netzgebietes abhänge und folglich an der mit dem Kriterium verbundenen Zielsetzung des effizientesten Netzbetreibers vorbeigehe.

Volker Laudien (N-ERGIE AG) berichtete aus der Sicht eines Netzbetreibers, welche Probleme sich in der Praxis stellten. Diese seien insbesondere durch die Problematik „Stadtnetz“ gegen „Landnetz“ gekennzeichnet: Durch höhere Abnahme- und Leistungsdichte sowie kürzere Wege hätten städtische Netzbetreiber konkrete Wettbewerbsvorteile gegenüber Flächennetzbetreibern. Gleichzeitig erfordere der Zubau von Anlagen der erneuerbaren Energien Netzentwicklungskonzepte, die wiederum Auswirkungen auf die Höhe der Netzentgelte hätten. Die aktuellen Kostensteigerungen für Betriebsmittel täten ein Übriges. Somit stelle sich für Netzbetreiber vor einem Konzessionsverfahren zwingend die Frage nach dem „Wert“ einer Konzession.

Die Veranstaltungsreihe wird am kommenden Dienstag, 10.10.2023, fortgesetzt (10.00 bis 12.30 Uhr). Zum Auswahlkriterium „Umweltverträglichkeit und Treibhausgasneutralität“ referieren Dr. Hans Heller (Raue mbB) aus anwaltlicher Sicht, Dr. Sven Höhne (enercity AG) aus Netzbetreibersicht und Dr. Christof Schorsch (LBD) aus Beratersicht mit dem Schwerpunkt ZuMa-Katalog 2.0.

Weitere Informationen und Anmeldung: https://www.rewi.hu-berlin.de/de/lf/oe/ewerk/ewerk-fachseminare

Dr. Christof Schorsch

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