Der russische Krieg in der Ukraine. Wir müssen jetzt alles tun, was möglich ist.


Liebe Leser:innen,

mit #gasheizungenabschalten haben wir letzte Woche nur wenige Stunden nach Kriegsbeginn ein erstes Statement gegeben, welchen Beitrag jeder Einzelne leisten kann, um auf den russischen Überfall auf die Ukraine zu reagieren und um das russische Aggressionspotenzial zu vermindern. Ben Schlemmermeier hat in seinem vielbeachteten Beitrag dazu aufgerufen, „dem russischen Krieg nicht ‚betroffen‘ zusehen, ohne selbst einen minimalen Beitrag zu leisten. Kalt ist unbequem. Die russische Aggression ist tödlich“. „Wenn man Putin ein bisschen schaden will, dann spart man Energie“, so auch Wirtschaftsminister Robert Habeck gestern. Das können wir nur unterstreichen.

In diesem Insight gehen wir noch einmal auf unsere individuellen Möglichkeiten ein, einen Beitrag zu leisten.

Zunächst zwei Aspekte zu unserer unerträglich hohen Abhängigkeit von russischen Rohstoffen:

  1. Wir finanzieren den russischen Angriffskrieg mit. Wie hoch ist unser individueller Beitrag zu den russischen Energieerlösen? In der Grafik haben wir die Größenordnung für einen typischen gasbeheizten deutschen Haushalt mit einem Einfamilienhaus und einem Benziner vor der Haustür abgeschätzt. Dies auf Basis typischer Verbräuche, aktueller Großhandelspreise und russischer Marktanteile. Das Ergebnis ist erschreckend: Es sind weit über 1.000 Euro p.a. – allein für einen einzigen Haushalt.
  2. Wir sind erpressbar gegenüber Lieferkürzungen. Robert Habeck hat sich gestern gegen ein Embargo von Energieimporten aus Russland ausgesprochen, um am Ende auch den sozialen Frieden in Deutschland zu sichern. Die Politik ist übervorsichtig, siehe auch die halbherzigen Sanktionen bei SWIFT. Wir als Bürger:innen müssen also der Politik den Rücken stärken, durch unseren Beitrag helfen, auch hier souveräner zu agieren.

Abbildung: Abschätzung des Beitrages eines typischen deutschen Haushaltes (Gas für Wärme, Öl für Mobilität, Kohle und Gas im deutschen Stromerzeugungsmix) zu den russischen Energieerlösen (Quelle: Refinitiv, BDEW, Destatis, BAFA, Fraunhofer ISE, UBA, AG Energiebilanzen, LBD-Projekterfahrungen), ©LBD

Wie kann nun unser Beitrag aussehen? Der Hebel ist länger als viele glauben.

  • Kurzfristig müssen wir verzichten: #gasheizungenabschalten, wie von Ben Schlemmermeier angeregt, weniger warm, weniger hell, weniger schnell. Wie stark wiegt unsere Unbequemlichkeit gegenüber dem Leid des Krieges
  • Mittelfristig muss und kann jeder selbst aktiv werden: Endlich die PV-Anlage aufs Dach, die wir uns schon lange vorgenommen hatten. Beim nächsten Autokauf ein Elektromobil. Gasheizung nur noch, wenn H2-ready …

Die Versorger müssen dies als Teil ihres neuen Geschäftsmodells begreifen, entsprechende Angebote machen, Infrastrukturen entwickeln. Angelegt war dies mit dem Ziel Klimaneutralität ohnehin schon – nun kommt die Motivation oder auch der Leidensdruck nach (Versorgungs-) Sicherheit bzw. Autarkie dazu.

Was gar keinen Sinn macht: Ein Rollback von Braunkohle und Atomkraft, der uns nur von unserer Generationenaufgabe Klimaneutralität durch Ausbau der Erneuerbaren ablenkt.

Hier sollte die aktuelle politische Lage nicht ausgenutzt werden, um alte Debatten noch einmal zu führen. Auch mit Blick auf das AKW Saporischschja sollten alte Risiken nicht gegen neue und weitaus größere Risiken getauscht werden.

Im Sinne des Urteils des Bundesverfassungsgerichtes zur Klimaneutralität braucht es neue Abwägungen. Auf die Schale des Allgemeinwohls, des Wohlstands kommen jetzt zusätzlich Versorgungssicherheit, Stabilität – und letztlich, so pathetisch das klingen mag, Frieden und Freiheit. Um es in Abwandlung eines Zitats von Außenministerin Annalena Baerbock zu sagen: „Wenn unsere Welt eine andere ist, dann muss auch unser Verhalten ein anderes sein.“

Ansprechpartner: Ralf Nellen