Die Gaspreisexplosion – Die Verunsicherung im Markt ist groß. Welche operativen und strategischen Fragen stellen sich nun?


Durch den enormen Anstieg der Gaspreise in den vergangenen Monaten sind europaweit bereits enorme wirtschaftliche Schäden entstanden. Die weitere Entwicklung hängt davon ab, wie die Gasversorgung der nächsten Monate aussieht. Im Rahmen unserer Artikelserie haben wir vier denkbare Szenarien der Gasversorgung beleuchtet:

  • Im 1. Szenario haben wir die Auswirkungen einer kurzfristigen Genehmigung von Nord Stream II eingeschätzt.
  • Im 2. Szenario haben wir die Lieferung von Mehrmengen über die Ukraine betrachtet
  • Das 3. Szenario beschäftigte sich mit der eventuellen Lieferung von zusätzlichen LNG-Mengen aufgrund hoher europäischer Gaspreise.
  • Im 4. und letzten Szenario haben wir die Folgen ausbleibender zusätzlicher Gaslieferungen und mögliche Versorgungsengpässe skizziert.
Grafik
Übersicht der betrachteten Szenarien, ©LBD

Zu jedem Szenario haben wir unsere Leser:innen gefragt für wie wahrscheinlich sie dieses halten. Das Ergebnis unserer nicht-repräsentativen Umfrage haben wir in folgender Matrix zusammengefasst:

Tabelle
Darstellung der Umfrageergebnisse, ©LBD

Es lässt sich festhalten: Keines der Szenarien wurde klar favorisiert. Unsere Leser:innen sind ebenso unsicher, wie der gesamte europäische Markt.

Erste Länder haben bereits mit staatlichen Eingriffen reagiert und eine gemeinsame Linie der EU gefordert, um ein weiteres Ausufern der Energiepreise zu verhindern und, um künftigen Preissprüngen vorbereiteter begegnen zu können oder diese abzufedern. Auf dem zurzeit stattfindenden EU-Gipfel sieht es bislang allerdings nicht danach aus, als würde sich die Staatengemeinschaft auf ein gemeinsames Vorgehen einigen können bzw. wollen.

Die aktuelle Situation und die Ungewissheit der weiteren Entwicklung konfrontiert die unterschiedlichsten Marktteilnehmer mit zahlreichen operativen und strategischen Fragen wie z.B.:

  • Vertriebe müssen sich die Frage stellen, wann der richtige Zeitpunkt ist, gestiegene Einkaufskosten an die Kund:innen weiterzugeben: Mit einem größeren Schlag zum Jahreswechsel, wenn auch das Durchreichen des höheren CO2-Preises fällig wird, der die Kund:innen möglicherweise aufschreckt und in Scharen zur Konkurrenz treiben wird? Oder mit schrittweisen, möglicherweise leichter verdaulichen Anpassungen die aber den Kund:innen immer wieder die Chance zur Kündigung geben wird?
  • Handel und Portfoliomanagement müssen sich die Frage stellen, ob zukünftig (wieder) eigene Speicherkapazitäten bewirtschaft werden sollten?
  • Kraftwerksbetreiber werden vor der Frage stehen, wie der massiven Verschlechterung der CO2-Bilanz durch mehr Kohlestrom begegnet werden kann.

Allerdings ist die entscheidende Frage für alle Marktteilnehmer, deren Rentabilität massiv gelitten hat oder die gar vor existenziellen Problemen stehen: Können Schadensersatzansprüche geltend gemacht werden?

Im nächsten LBDinsight werden wir eine Stellungnahme der Rechtsanwaltskanzlei Raue publizieren, in der diese Frage analysiert wird.

Ansprechpartner: Ralf Nellen