Gasnetze – ein werthaltiges Investment?


Immer wieder werden Absichten des Berliner Senats diskutiert, nach dem Berliner Stromnetz auch die Gasag zu übernehmen. Dabei ist häufig davon die Rede, der wesentliche Wert der Gasag stecke in ihrem Netz. Hier ist ein Fragezeichen angebracht.

Spätestens im Jahr 2050 soll Deutschland klimaneutral sein. Das verbleibende kleine Restbudget an Emissionen werden aus heutiger Sicht nicht dekarbonisierbare Industrieprozesse benötigen, vielleicht auch mit Erdgas betriebene Gasturbinen, die eine Dunkelflaute überbrücken können. Im Verteilnetz, d.h. im Wärmemarkt, wird für Erdgas hingegen kein Platz mehr sein.

Allerdings werden längst nicht alle Investitionen in die Gasverteilnetze bis dahin zurückverdient sein. Es bedürfte also eines Eingriffs des Regulierers, um die Eigentümer der Netze von den stranded investments zu entlasten. Das würde jedoch höhere Netzentgelte bedeuten – zusammen mit sinkenden Mengen im Netz ergäbe sich ein höllischer Cocktail für die Wettbewerbsfähigkeit von Erdgas im Wärmemarkt.

Damit müssen die Gasverteilnetze in einen Dekarbonisierungswettbewerb mit den wesentlichen Alternativen eintreten:

  • Mit der Fernwärme – in Berlin ein wesentlicher Faktor mit erheblichem Wachstumspotenzial.
  • Mit der Elektrifizierung der Wärmeversorgung durch Wärmepumpen, die es in Berlin aufgrund des hohen Anteils von vermieteten Bestandsgebäuden allerdings schwerer hat als anderswo.

Dabei hat das Gasverteilnetz zwei wesentliche Optionen zur Dekarbonisierung:

  • Den Einsatz von Biogas, der auch in optimistischen Studien nie mit einem deutschlandweiten Potenzial von mehr als ca. 100 TWh veranschlagt worden ist.
  • Den Einsatz von synthetischen Gasen auf Basis von bzw. inklusive grünem Wasserstoff. Allerdings erlaubt der riesige Bedarf von Industrie und Verkehrssektor, den auch die Prioritätensetzung der Nationalen Wasserstoffstrategie widerspiegelt, zunächst wenig Optimismus, dass auf absehbare Zeit signifikante Mengen für den Wärmemarkt zur Verfügung stehen werden. Für die Verteilnetzbetreiber bedeutet es deshalb eine große Herausforderung, in diesem Markt mit von der Partie zu sein.

Natürlich kann die Gasag darauf hoffen, dass das Verbot neuer Ölheizungen ab 2026 ihr zumindest temporär noch einmal einen Schub für ihr seit der Wiedervereinigung sehr erfolgreiches Geschäftsmodell gibt, Öl durch Erdgas zu substituieren. Aber was ist, wenn in diesem Investitionszyklus Erdgas gar nicht mehr als relevante Alternative angesehen wird?

Das Land Berlin hat bei der Gasag sicher nicht nur eine möglichst attraktive Verzinsung des für einen Erwerb eingesetzten Kapitals im Auge. Wichtiger noch dürfte wohl das Bestreben sein, mit dem Investment die Klimapolitik voranzutreiben.

Für dieses strategische Ziel wäre Berlin mit dem Erwerb allein der Gasag allerdings zu kurz gesprungen: Aufgrund der großen Bedeutung der Fernwärme (siehe oben) muss das Land auch diesen wichtigen Player in die Hand bekommen. Mit einer koordinierten Entwicklung aller leitungsgebundenen Energien ließe sich tatsächlich auf effiziente Weise Klimapolitik betreiben.

Ansprechpartner: Ralf Nellen