Die WärmeLV durch Produktgestaltung überwinden


Der Wärmesektor ist das größte Handlungsfeld der Energiewende. Fernwärme wird eine wesentliche Rolle bei der Dekarbonisierung der Wärmeversorgung in urbanen Umgebungen spielen. Sie bietet die Möglichkeit der Einbindung industrieller Abwärme, zentral erschlossener erneuerbarer Energien, wie Tiefengeothermie und Solarthermie sowie hocheffizienter Gas-KWK, betrieben mit fossilem, blauem oder grünem Gas.

Seit 2013 regelt die Wärmelieferverordnung (WärmeLV) die Umstellung der Wärmeversorgung im Mietwohnraum in Bestandsgebäuden von Eigenversorgung auf gewerbliche Wärmelieferung. Sie wirkt als Mieterschutzinstrument und setzt die in § 556c BGB festgelegte Kostenneutralität technisch um. Seit ihrer Verabschiedung stellt die WärmeLV für gewerbliche Wärmelieferanten ein wesentliches Vertriebshindernis dar. Dieses kann durch Produktgestaltung überwunden werden, ohne die berechtigten Mieterschutzinteressen zu tangieren. Diese Möglichkeit weist der Verordnungsgeber in der Verordnungsbegründung explizit aus.

Im Zentrum der Verordnung steht der Kostenvergleich zwischen der bisherigen Eigenversorgung und einer potenziellen Wärmelieferung. Damit eine Umstellung möglich wird, ist gemäß § 556c BGB Kostenneutralität für den Mieter geboten. Seitens der Eigenversorgung werden nur die auf der Nebenkostenabrechnung des Mieters ersichtlichen Kosten, also die Betriebskosten, in den Vergleich einbezogen. Seitens der gewerblichen Wärmelieferung wird der ganze Wärmepreis herangezogen.

In Abbildung 1 sind die Heizkosten eines Objekts bei Wärmeversorgung mit Fernwärme und Erdgas vor dem Hintergrund der Kostenneutralität schematisch dargestellt. Ohne Berücksichtigung der Produktqualität (Ökologie und Komfort) ist die Fernwärmeversorgung in diesem Beispiel teurer als die dezentrale Objektversorgung mit einem Gaskessel (1). Die Umstellung von dezentraler Objektversorgung auf gewerbliche Wärmelieferung darf für Mieter nicht mit Mehrbelastungen in den Betriebsnebenkosten einhergehen und muss kostenneutral erfolgen. Die verbrauchs- und betriebsgebundenen Kosten der alten Versorgung stellen somit die Obergrenze für eine kostenneutrale Umstellung dar (2). Kosten der neuen Versorgung oberhalb der geforderten Kostenneutralität können nicht an den Mieter weiter verrechnet werden (3).

Abbildung 1: Schematischer Heizkostenvergleich und Prüfung der Kostenneutralität, ©LBD

 

In vielen Fällen ist Fernwärme im Kostenvergleich nach WärmeLV zwar teurer, im Vollkostenvergleich aber günstiger als die dezentrale Objektversorgung mit einem Gaskessel. Die Umstellung auf Wärmelieferung wäre gemäß WärmeLV nicht möglich. Aus Perspektive des Gesetzgebers müsste Mieterschutzinteresse gegen Klimaschutznutzen abgewogen und ggf. im Sinne des Klimaschutzes nachgesteuert werden. Aber Versorger können auch ohne Reform der Verordnung Handlungsoptionen entwickeln, ohne den Mieterschutz anzutasten. Die höhere Produktqualität von Fernwärme liefert die notwendigen Verkaufsargumente.

Mögliche Stellschrauben im Portfolio sind das mittelfristige Pricing mit Eigenanteilen des Vermieters sowie die langfristige Überführung der Verträge in das „normale Preismodell“, ohne Eigenanteile des Vermieters. Während der Produktentwicklung sind rechtliche Risiken (insbesondere kartellrechtliche) angemessen zu bewerten und dem Potenzial gegenüberzustellen. Das Pricing sollte trotz Differenzierung standardisiert und mit den gegebenen Vertriebsprozessen handhabbar bleiben. Dazu sollten Qualitätsmerkmale wie Nachhaltigkeit und Komfort präsent am Produkt verankert werden, um als Verkaufsargument dienen zu können.

Versorger, die ähnliche Produkte im Portfolio haben, machen positive Erfahrungen. Erhebliche – ansonsten blockierte – Potenziale können durch diese Produkte teilweise erschlossen werden.

Ansprechpartner: Carsten Diermann