Entwicklung der Endkundenpreise – Wohin die Reise gehen kann


Liebe Leser:innen,

seit dem Herbst letzten Jahres erlebt der Energiemarkt einen rasanten Anstieg der Preise. Der Angriff Russlands auf die Ukraine und die damit einhergehenden Wirtschaftssanktionen gegen Moskau haben die Energiepreise nun weiter – in schwindelerregende Höhen – getrieben. Wir haben in den letzten Monaten immer wieder Ursachen und Auswirkungen der Energiepreisexplosion betrachtet, zu konkreten Maßnahmen aufgerufen.

Aktuell steht das Thema Kostenentlastung für die Bürger:innen und Unternehmen ganz oben auf der Agenda der Bundesregierung. Das Kabinett brachte am Mittwoch mehrere Maßnahmen auf den Weg. Verbraucher:innen werden die Auswirkungen dennoch zu spüren bekommen. Die Situation an den Großhandelsmärkten wird sich, wenn auch mit Verzögerung, unweigerlich auf die Endkundenpreise niederschlagen.

Zahlreiche Versorger haben aufgrund der gestiegenen Beschaffungskosten ihre Preise – teilweise bereits mehrfach – nach oben angepasst. Allerdings spiegelt sich das volle Ausmaß der Krise derzeit noch nicht einmal komplett in den Preisen wider, da die Versorger ihre Energiemengen langfristig beschaffen. Sobald auch die vor der Krise beschafften Energiemengen aufgebraucht sind, werden die Großhandelspreise vollumfänglich bei den Kund:innen ankommen.

Wohin die Reise gehen kann, zeigt unsere folgende Analyse:

Basis der Analyse sind die Kosten eines privaten Haushalts mit einem jährlichen Stromverbrauch von 2.500 kWh und einem jährlichen Gasverbrauch von 16.500 kWh (Endkundentarife aus der ene’t-Datenbank).
Unsere Analyse basiert auf der Annahme, dass die Energieversorger ihre Marge stabil halten und die gestiegenen Beschaffungskosten an die Endkund:innen weitergeben.
Zur Kalkulation der möglichen Bruttoendkundenpreise verwenden wir das Vertriebsmargenpotenzial der Grundversorger aus dem 1. Quartal 2021.
Beschaffungsseitig gehen wir von einer Jahresbeschaffung auf Grundlage der Großhandelspreise der nächsten 4 Quartale aus mit Stand 16.03.2022.

Endkundenpreise Strom:

Bei dem aktuellen Preisniveau an den Großhandelsmärkten ergibt sich ein deutschlandweit, durchschnittlicher Bruttoendkundenpreis von 52,10 Cent/kWh im Strom. Die Bandbreite geht von etwa 44 Cent/kWh bis 57 Cent/kWh (Siehe Abbildung 1). Für einen Musterhaushalt mit einem Jahresverbrauch von 2.500 kWh bedeutet dies Stromkosten in Höhe von 1.302 Euro. Im ersten Quartal 2021 lagen der durchschnittliche Bruttoendkundenpreis noch bei 36,32 Cent/kWh und die jährlichen Kosten bei 908,01 Euro. Für einen Musterhaushalt ergäben sich somit Mehrkosten von 394,45 Euro pro Jahr.  Zum Vergleich: Laut Verivox liegt der aktuelle, durchschnittliche Strompreis bei 38,87 Cent/kWh*

Abbildung 1: geordnete kalkulatorische Endkundenpreise über alle Orte, Grundversorger und Netzbetreiber, Quelle: ene’t Datenbank Endkundentarife, REFINITIV, LBD-Berechnung, Darstellung LBD

Im Bereich Gas ergibt sich für einen Musterhaushalt mit einem Gasverbrauch von 16.500 kWh pro Jahr ein Bruttoendkundenpreis von 17,59 Cent/kWh. Die Bandbreite geht von etwa 16 Cent/kWh bis 21 Cent/kWh (Siehe Abbildung 1).  Die jährlichen Gaskosten lägen somit bei 2.902,23 Euro. Im ersten Quartal 2021 lagen der durchschnittliche Bruttoendkundenpreis noch bei 7,69 Cent/kWh und die jährlichen Kosten bei 1.268 Euro. Für einen Musterhaushalt ergäben sich somit Mehrkosten von 1.634 Euro pro Jahr. Zum Vergleich: Aktuell liegt der durchschnittliche Gaspreis laut Verivox bei 13,64 Cent/kWh.

Insgesamt würden die Mehrkosten für den Musterhaushalt damit bei über 2.000 Euro liegen, wie Abbildung 2 zeigt.

Abbildung 2: Mögliche Kostensteigerungen für einen Musterhaushalt unter Berücksichtigung aktueller Beschaffungskosten, EEG-Umlage bereits abgezogen, Quelle: ene’t Datenbank Endkundentarife, REFINITIV, Berechnung und Darstellung LBD

Fazit

Unsere Analyse zeigt, dass das aktuelle Preisniveau auf den Energiegroßhandelsmärkten zu einer massiven Steigerung der Endkundenpreise führen wird. Um die Margen stabil zu halten, wird man aus Versorgersicht nicht umhinkommen, Preisanpassungen im gesamten Kundenportfolio, also auch bei den Bestandskund:innen, vorzunehmen. Trotzdem werden gerade Grundversorger langfristig vom Kunden- und auch Vertrauenszuwachs profitieren können, da sie im Gegensatz zu den vielfach ins Straucheln geratenen Discountern für eine stabile Versorgung stehen. Die Beschaffungsseite ist und bleibt weiter unsicher und schwer vorauszusehen. Offene Positionen sollten geschlossen werden, um keine weiteren Risiken einzugehen.

Bürger:innen werden die Verwerfungen an den Energiemärkten deutlich zu spüren bekommen. Beim Abschluss von Neukundenverträgen sind bereits jetzt enorme Preissteigerungen zu verzeichnen. Spätestens im nächsten Jahr werden diese auch Bestandskund:innen treffen. Vorhandene Energieeinsparpotenziale (wir berichteten in unserem letzten LBDinsight) zu nutzen, bleibt weiterhin das Gebot der Stunde.

Die Politik wird weiter für Entlastungen sorgen müssen. So wird bspw. die Verdopplung des bisher geplanten Heizkostenzuschusses nur einen Teil der Mehrkosten von Verbraucher:innen decken können.

* Grundlage ist ein Drei-Personen-Musterhaushalt mit einem jährlichen Wärmebedarf von 20.000 kWh und einem Stromverbrauch von 4.000 kWh

Ansprechpartner:
Falk Pöppel, Research Analyst
Georg Krömer, Berater