Wer Wasserstoff »vor Ort« will, muss ihn selbst erzeugen


Die Nationale Wasserstoffstrategie (NWS) fokussiert sich auf den Einsatz von Wasserstoff in der Industrie und im Verkehr. Der Wärmesektor spielt in den Überlegungen bisher eine allenfalls nachgelagerte Rolle. Konsequenterweise sieht der vom Bundeskabinett beschlossene Entwurf für eine Novelle des EnWG daher eine getrennte Regulierung von Gas- und Wasserstoffnetzen als Übergangsregelung vor. So soll vor allem die schnelle Umsetzung zentraler Großprojekte für Erzeugung, Transport und Nutzung von Wasserstoff für industrielle Großabnehmer ermöglicht werden.

Folgerichtig hat die Bundesnetzagentur nun unlängst von den Fernleitungsnetzbetreibern Gas Änderungen am Entwurf des Netzentwicklungsplans (NEP) 2020-2030 verlangt: Demnach dürfen Wasserstoffinfrastrukturen nicht Bestandteil der verbindlichen Netzentwicklungsplanung sein. 10 geplante Projekte mit insgesamt 24 Leitungen sollen daher aus dem NEP herausgelöst werden.

Natürlicherweise stößt die bisherige Nicht-Berücksichtigung des Wärmesektors vor allem den Betreibern lokaler Gasverteilnetze und ihren Branchenvertretern übel auf. Hauptkritikpunkt ist dabei, dass die vorgeschlagene getrennte Regulierung von Gas- und Wasserstoffnetzen, die Umsetzung eines flächendeckenden Wasserstoff-Startnetzes und damit den Markthochlauf für Wasserstoff in der Breite, also inklusive der Wärmeversorgung, erschwere.

Auch der Bundesrat hat in seiner Stellungnahme darauf hingewiesen, dass die zahlreichen Stadtwerke als Gasverteilnetzbetreiber eine verlässliche und dauerhafte unternehmerische Perspektive benötigen. Daher » […] sollten die mittel- und langfristigen Perspektiven zur Dekarbonisierung auch des Wärmesektors bereits heute Berücksichtigung bei der künftigen Gasnetzplanung nach dem EnWG finden«.

Im Wettbewerb um die Wärmeversorgung der Zukunft werden die Verteilnetze vor allem in Konkurrenz zu Wärmepumpen stehen. Sie werden nur noch in jenen Gebieten die Wärmeversorgung sicherstellen, in denen sie durch die Umstellung auf Wasserstoff Emissionsfreiheit zu wettbewerbsfähigen Konditionen anbieten können.

Ihr Ruf nach einer Berücksichtigung bei der Verteilung von Wasserstoff ist daher nachvollziehbar. Auch aus volkswirtschaftlicher Perspektive ist es fraglich, ob es sinnvoll ist, existierende Infrastrukturen aufzugeben, die zudem den saisonalen Ausgleich zwischen Angebot und Bedarf sicherstellen.

Laut NWS und aktuellen Beschlüssen wird sich der Wärmesektor jedoch gedulden müssen. Wir bezweifeln, dass sich Verteilnetzbetreiber diese Geduld werden leisten können. Wer darauf wartet, überregional mit Wasserstoff versorgt zu werden, hat den Kampf um den Erhalt seines Verteilnetzes schon verloren.

In einem hart umkämpften Markt um emissionsfreie Geschäftsmodelle werden jene Verteilnetze im Vorteil sein, die schon früh mit der Umstellung auf emissionsfreie Energieträger begonnen haben. Auch bei einem noch in der Ferne liegenden Anschluss an ein überregionales Wasserstoff-Fernleitungsnetz werden Verteilnetzstrukturen mit hoher »H2-Readiness« zu allererst berücksichtigt werden.

Unserer Einschätzung nach geht die Initiative »H2vorOrt« des DVGW und einiger Verteilnetzbetreiber daher den richtigen »Weg in die Klimaneutralität vor Ort«. Dieser Weg sollte aber mit höherer Geschwindigkeit eingeschlagen werden: Die Verteilnetzbetreiber müssen jetzt und nicht erst bis 2030 mit Pilotprojekten in die lokale Erzeugung und Nutzung von grünem Wasserstoff einsteigen.

Ansprechpartner: Dr. Norman Ruhnke.