Wer sind die Profiteure der aktuellen Gaspreise?


Deutschland nimmt bis 2024 sage und schreibe 200.000.000.000 (in Worten zwei null null null null null null null null null null null) Euro in die Hand, um die schlimmsten ökonomischen und sozialen Verwerfungen durch völlig überhöhte Gaspreise zu heilen. Eine Summe, die von zukünftigen Generationen geborgt ist und für diese eine erhebliche Hypothek darstellen wird. Abgesehen davon, welche Impulse für die Energiewende mit diesem Geld gesetzt werden könnten, wie wir in unseren letzten Beiträgen schon ausgeführt haben.

Diese Milliarden sollen einen beispiellosen Preisanstieg bei den Gaspreisen kompensieren. Gaspreise, die keinesfalls Marktpreise sind. Denn einen funktionierenden Markt gibt es nicht mehr. Der Markt wurde durch einen skrupellosen marktbeherrschenden Lieferanten gesprengt, der schlicht immer mehr Kapazitäten zurückhielt. Im Stromerzeugungsmarkt weist man Marktmacht durch den Residual Supply Index (RSI) nach, der – vereinfacht definiert – misst, in wie vielen Stunden eines Jahres der Bedarf ohne einen bestimmten Stromerzeuger gedeckt werden kann. Wird diese Marktmacht z.B. durch Kapazitätszurückhaltung missbraucht, sieht das Kartellrecht Sanktionen vor.

Eine Anwendung des Prinzips des RSI auf den deutschen Gasmarkt würde nachweisen, dass Gazprom hier seit Jahren marktbeherrschend war. Dass Gazprom bereits lange vor dem russischen Überfall auf die Ukraine seine Marktmacht durch Kapazitätszurückhaltung missbraucht hat, haben wir bereits vor einem Jahr mehrfach thematisiert (z.B: Wer hat am Gaspreis gedreht?).

Die im Gasmarkt gegenüber Gazprom jetzt fälligen Sanktionen können im bestehenden geopolitischen Umfeld nicht umgesetzt, das bestehende Marktversagen nicht geheilt werden. Profiteure sind all jene Gasproduzenten, die im dysfunktionalen Markt Preise durchsetzen können, die ohne die russische Kapazitätszurückhaltung undenkbar waren. Jetzt werden dreistellige Preise für Lieferungen erzielt, die im funktionierenden Markt nur mit maximal 30 Euro/MWh vergütet wurden.

Die gigantischen Mehrkosten, die unsere Volkswirtschaft (Verbraucher und der um Kompensierung bemühte Staat) so massiv belasten, führen anderenorts zu leistungslosen Gewinnen. Nur ein Beispiel sind die Mehreinnahmen, die der norwegische Staat aus seinen Explorations- und Produktionslizenzen für Erdöl und Erdgas auf dem norwegischen Festlandsockel erzielt. Diese sind im State’s Direct Financial Interest (SDFI) gebündelt und werden vom Unternehmen Petoro AS betreut. Ein Großteil dieser Zahlungen speist einen Fonds, mit dem Norwegen in eine Zukunft nach dem Ende der Öl- und Gaseinnahmen investiert – gewissermaßen also das Startkapital für zukünftige norwegische Generationen.

Die Abbildung zeigt einen klaren Zusammenhang zwischen den Einnahmen des norwegischen Staates aus dem SDFI und dem deutschen Grenzübergangspreis für Gas. Zu beachten ist, dass die massiv angestiegene Säule für 2022 nur die Zahlungen aus dem 1. Halbjahr abbildet.

Abbildung: Vergleich der Entwicklungen von norwegischen Staatseinnahmen aus eigenen Öl- und Gasaktivitäten und deutschem Grenzübergangspreis Gas (Quelle: Jahres- bzw. Halbjahresberichte Petoro, Refinitiv, BAFA, LBD-Berechnungen, Stand: Ende 1. Halbjahr 2022)

Da ein gemeinsamer europäischer Beschluss zur Festsetzung einer Preisobergrenze, die sich an den Preisen im funktionierenden Markt orientiert, in weiter Ferne scheint, muss man wohl konstatieren:

  • Es wird bei den leistungslosen Gewinnen für die Gasproduzenten bleiben.
  • Eine Überforderung der Gasverbraucher kann nur mittels der oben erwähnten 200 Mrd. Euro verhindert werden.
  • Stark vereinfacht: Die zukünftigen Generationen in Deutschland werden einen erheblichen Beitrag für den Wohlstand der zukünftigen Generationen z.B. in Norwegen leisten.

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